Loipersbach im 17. Jahrhundert. Die Blütezeit des Protestantismus

Im Jahre 1606 wurde der Wiener Friede geschlossen, der den Adeligen und den Städten Ungarns die freie Religionsausübung zusicherte. Damit konnte Ödenburg und die Stadtdörfer zum Protestantismus zurückkehren, während sich die Gegenreformation in den Herrschaften Forchtenstein und Eisenstadt unter den Esterhazy endgültig durchsetzte. Für Jahrzehnte waren nun die Stadtgemeinden, besonders aber das nach Westen weit vorgeschobene Loipersbach, Zentren des Protestantismus.

1608 wurde in der Kirchengemeinde Agendorf – Loipersbach Christoph Schwaiger als Predikant eingesetzt. Unter ihm wurde 1611 – 1613 die Martinskirche renoviert und vergrößert. Aus dieser Zeit kennen wir auch bereits die Namen der Lehrer. Es folgten 1625 Andreas Leonwald, 1630 Christoph Zimmermann und der aus Mährisch Iglau stammende, schon alte Martin Liebezeit als Pfarrer. Aushilfspfarrer war Christoph Gensel, der 1628 in Ödenburg in einer Predigt den Papst einen “römischen Gott”, den man “seine wellisch Suppe fressen lassen” solle, genannte hatte, deswegen nach Mörbisch strafversetzt wurde und dann vorübergehend in seine sächsische Heimat zurückkehrte. Später bat er aber erneut um eine Anstellung in Ödenburg. Sein Nachfolger war der Kärntner Karl Paumgartner, ein Glaubensflüchtling, der bis 1661, zuletzt zusammen mit Heinrich Trost, in Agendorf-Loipersbach wirkte.

Heinrich Trost wurde 1624 in Jena geboren, war Hauslehrer, unternahm weite Reisen und wurde schließlich Pfarrer in Lockenhaus, dann in Agendorf-Loipersbach. 1664 kam er nach Ödenburg. Noch während der Amtszeit Trosts hielten sich in Loipersbach, das immer stärker von den bedrängten Protestanten der benachbarten Herrschaften aufgesucht wurde, mehrere evangelische Prediger auf. Ihre Tätigkeit leitete schließlich die Abtrennung Loipersbachs von Agendorf und die Erhebung zu einer selbständigen Kirchengemeinde ein. Im Jahre 1661 wurde der Pfarrer von Walbersdorf – Pöttelsdorf, Michael Marquart, der bis dahin eine blühende evangelische Gemeinde betreute, zusammen mit dem Lehrer Johann Sinabel vertrieben. Beide fanden wahrscheinlich in Loipersbach Zuflucht. Sinabel wird in den folgenden Jahren noch mehrmals erwähnt.

1661/62 hielt sich in Loipersbach ein Prediger namens Georg Müller auf. Er legte im Februar 1661 ein “Tauff Buch” an, in das später Taufen, Eheschließungen und gelegentlich auch Sterbefälle eingetragen wurden. Dieses Buch, das sich im Besitz der röm.-kath. Pfarre in Agendorf befindet, ist eine der Hauptquellen für die folgenden Ausführungen.

Das Taufbuch wurde fortgeführt von Melchior Gärtner, der ab 1662 im zunehmenden Maße auch Kinder aus Walbersdorf und Pöttelsdorf taufte. Die Taufpaten kamen zum Beispiel aus Zemendorf, Mattersburg oder Marz, also aus zu dieser Zeit angeblich schon längst “rekatholisierten” Gemeinden. Auch Glaubensflüchtlinge weilten zu dieser Zeit in Loipersbach, etwa Ursula Degendorffer aus Schattendorf, “umb Verfolgung willen alhir”. Ab 1662 war Matthias Rosner, ein Ödenburger Bürgersohn, der in Wittenberg studiert hatte und dort zum Pfarrer von Loipersbach ordiniert worden war, “Pastor Loipersbachiensis”. Während seiner kurzen Amtszeit bis 1664 vollzog er 63 Taufen. Sein Nachfolger war Hieronymus Christoph Foman aus Gotha in Thüringen, “gewester zu Kobels- und Weppersdorf, nun aber vertriebener und verfolgter Diener Christi”. Er blieb bis 1673 in Loipersbach. Der Pfarrhof wurde noch im Jahre 1674 von den katholischen Visitatoren als “schön” beschrieben. Lehrer war Sinabel, dessen “Raitt-Buch” (Rechenbuch) uns einen guten Einblick in das damals in Loipersbach bereits hoch entwickelte Schulwesen gibt.
Das Jahrzehnt von 1663 —1673 kann man als Blütezeit der Gemeinde Loipersbach bezeichnen, in der es der Bevölkerung auch in wirtschaftlicher Hinsicht gut ging, in der die Beziehungen zum Grundherrn, also zur Stadt Ödenburg, hervorragend waren, und in der auch das kirchliche und schulische Leben einen Höhepunkt erreichten.

Noch im Jahre 1610 waren, wie die erhaltenen Schuldscheine beweisen, zahlreiche Familien stark verschuldet. Nun aber, nach dem Ende des 30-jährigen Krieges, nahmen die Ödenburger ihren Wein- und Viehandel über Mähren und Schlesien bis weit in das deutsche Reich hinein wieder auf und die Loipersbacher Bauern hatten für ihre Produkte in der Stadt günstige Absatzmöglichkeiten. Die Bevölkerung nahm in dieser Zeit stark zu, wahrscheinlich auch infolge des Zuzuges niederösterreichischer Protestanten. Das Auftreten bisher unbekannter Familiennamen in Agendorf und Loipersbach (z. B. Kirchknopf, Ferstl) bestätigt diese Vermutung. Auch aus den Nachbargemeinden zogen Menschen nach Loipersbach (z. B. Floiger aus Schattendorf). Viele dieser Zuwanderer waren Handwerker, die bald zusätzlich Grund und Boden, besonders Weingärten, erwarben. Es gab in Loipersbach zu dieser Zeit ein umfangreiches und sehr differenziertes Gewerbe. So werden mehrere Schneider, Schuster, Fleischhauer, Müller, Wagner, ein Hufschmied, ein Schlosser und etliche Bindermeister erwähnt, die alle als Mitglieder der Zünfte in enger Verbindung zu den Ödenburger Bürgern standen. Besonders die Überlandweingärten, die nicht zum Hof gehörten, waren frei verkaufbar und vererbbar und damit besonders wertvoll. Wie die zahlreichen erhaltenen Testamente beweisen, waren die Loipersbacher in dieser Zeit auf der Grundlage von Handwerk und Weinbau reich an materiellen Gütern, aber auch gebildet und selbstbewusst. Viele Bauern führten ihr eigenes Siegel, das meist Pflugschar, Rebmesser, Weintrauben, Ähren oder ähnliches, kombiniert mit den beiden Anfangsbuchstaben des Namens, zeigte. Es gab in dieser Zeit nur wenige Kleinhäusler oder Taglöhner.

Erst gegen Ende des Jahrhunderts, mit dem erneuten Einsetzen der Gegenreformation, der Verpfändung Loipersbachs an die Jesuiten und den Verwüstungen durch die Türken änderte sich die Lage wieder grundsätzlich.