Loipersbach im 16. Jahrhundert. Die Anfänge des Protestantismus
Die Gemeinde Loipersbach lag zu Beginn des 16. Jahrhunderts als Besitzung eines westungarischen Kleinadelsgeschlechtes zwischen der Herrschaft Forchtenstein im Westen und der Ödenburger Stadtherrschaft im Osten. Die Herrschaft Forchtenstein war durch Verpfändung in den Besitz der Habsburger gekommen und auch Ödenburg gelangte während lang andauernder Thronstreitigkeiten unter Friedrich III. vorübergehend an Österreich. In dieser Zeit litt das ganze Gebiet unter wilden Grenzfehden und ständigen Einfällen von Raubscharen.
Die Stadt Ödenburg, an der wichtigen Straße durch die Wr. Neustädter Pforte gelegen, hatte Jahrhunderte hindurch einen bedeutenden Platz im ungarischen Festungsgürtel gegen Österreich inne und konnte durch Schenkungen oder Kauf ihren Herrschaftsbereich auf die angrenzenden Dörfer ausdehnen. So erwarb die Stadt neben Wandorf und Kolnhof 1325 Wolfs, 1385 Mörbisch, 1390 Agendorf, 1419 Klingenbach, 1426 Harkau. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts. verfügte die königliche Freistadt bereits über den beachtlichen Herrschaftskomplex von 7 Dörfern, zu denen im Jahre 1547 auch noch Loipersbach hinzukam. Das Schicksal dieser 8 Gemeinden war besonders in der Gegenreformation mit dem der Stadt eng verknüpft.
Loipersbach war im 15. Jahrhundert mit Sicherheit eine selbstständige Kirchengemeinde.Leider wissen wir nicht, wann die St.Peter-Paulskirche (im heutigen Friedhof) gegründet wurde. Das Patrozinium spricht jedenfalls für eine frühe Errichtung. Die alte Kirche auf dem Kirchbühel (davon der Flurname Kirpel) inmitten des Friedhofes war, wie wir aus einer späteren Beschreibung wissen, von einer Mauer umgeben, also eine Wehrkirche. Sie war klein, mit einem hölzernen Choranbau. Im Jahre 1466 wurde angeblich im Dorfe, am Hauptplatz und nahe am Bach eine dem hl. Martin geweihte Kirche erbaut, und zwar deshalb, weil der Weg zur bereits bestehenden Peter- und Paulskirche auf dem Hügel (Flurname “Peterer”) im Bereich des heutigen Friedhofes im Winter zu beschwerlich war. Diesem Kirchenbau werden wohl auch 1000 Stück Pflasterziege!, die die Stadt Ödenburg im Jahre 1498 an Loipersbach verkaufte, gedient haben. Aber auch die alte Kirche wurde, wie aus einem Testament aus dem Jahre 1493 hervorgeht, weiterhin benutzt. Im Jahre 1525 wurde im Testament eines Ödenburger Geistlichen auch eines “Herrn Lasla, pharrer zu Leopersbach” gedacht. Dieser Herr Lasla könnte, wie viele andere Geistliche im westungarischen Raum, vier Jahre später während des großen Türkenzuges gegen Wien ums Leben gekommen sein. Im Jahre 1529 verwüsteten die Türken das Kloster in Wandorf, sämtliche Ortschaften Ödenburgs und wahrscheinlich auch Loipersbach. Auch während der Belagerung Wiens durchstreiften türkische Abteilungen das Gebiet um Ödenburg und richteten große Schäden an. In einer Bittschrift des Ödenburger Magistrats an König Ferdinand, in der sie um Vergütung des erlittenen Schadens ersuchten, führten diese an, dass “die blutdürstigen und grausamen Türken alle unsere, der Stadt und unserer Untertanen Güter und Besitzungen verwüstet, geplündert und eingeäschert und zugleich einen großen Teil der Menschheit fortgeschleppt und getötet hätten, “und zwar so sehr, dass kaum der vierte Teil der Bewohner übrig blieb.” Loipersbach war im Jahre 1532, als die türkischen Streifscharen erneut bis vor Ödenburg kamen, angeblich gänzlich unbewohnt, die wenigen Überlebenden waren geflohen. Ein großer Teil der noch 1498/99 erwähnten Familiennamen kommt in späterer Zeit nicht mehr vor.
In diese Jahre der Not fallen die Anfänge des evangelischen Glaubens in Ödenburg. Als eine Folge der Missstände in der katholischen Kirche predigte schon im Jahre 1521 ein Franziskanermönch in Ödenburg im lutherischen Sinne und 1524 berichtete der Stadtpfarrer von Ödenburg, dass die Bürger “lutherische Bücher massenweise kauften und sie dann in den Schenken besprachen”. Trotz rigoroser Maßnahmen wie Bücherverbrennungen und Einkerkerung der Prediger änderte sich daran auch in den folgenden Jahren nichts. Auch in den benachbarten Herrschaften Forchtenstein und Eisenstadt fasste die neue Lehre, begünstigt durch die Pfandinhaber, rasch Fuß.
Loipersbach war in den Jahren nach 1532 also vermutlich verwüstet, was mit ein Grund dafür gewesen sein dürfte, dass die Besitzung schließlich verkauft wurde. Im Jahre 1546 verkauften Wolfgang Josa de Savol, seine Schwestern Barbara und Margaretha sowie seine Tochter Ursula ihre Besitzanteile an Loipersbach für 880 rheinische Gulden an Jakob Dürr. Dieser, ein alter, erprobter Soldat, war Pfandinhaber der Herrschaft Forchtenstein, die aber zu dieser Zeit wenig gewinnbringend war. Außerdem war Dürr, wie er in einem Brief an den Kaiser schrieb, kränklich, so dass er die Pfandherrschaft schließlich an die Familie Weißpriach weiter verkaufte. Gegen den Verkauf Loipersbachs an Dürr protestierte aber sofort die Stadt Ödenburg, die geltend machte, dass Dürr als Österreicher ja “Ausländer” war. Außerdem hatte Ödenburg als Nachbar das Vorkaufsrecht, so dass Dürr schließlich nachgeben musste. Ödenburg hinterlegte die Kaufsumme in der Propstei von Csorna, von wo sie Dürr überbracht wurde. Noch 1547 bestätigte Kaiser Ferdinand der Stadt den Besitz des Dorfes Loipersbach.
Damit waren aber die Streitigkeiten um den Besitz Loipersbachs noch keineswegs abgeschlossen, sondern es wurden von den Verwandten Wolfgan de Savols, die ebenfalls das Vorkaufsrecht für sich in Anspruch nahmen, und von seinen zahlreichen Nachkommen einige weitere Prozesse angestrengt, die sich über 100 Jahre hin zogen.
Zur gleichen Zeit war Loipersbach Opfer einer Streitigkeit zwischen Ödenburg und Forchtenstein, wobei es um die Blutgerichtsbarkeit in Loipersbach ging. Loipersbach gehörte nämlich vor 1575 der Vogtei und dem Landgericht Forchtenstein an und hatte jährlich 20 Metzen Vogthafer nach Forchtenstein zu entrichten. Ab 1575 lieferte das Dorf diesen, vermutlich von der Stadt dazu gezwungen, nach Ödenburg ab. Daraufhin erlaubte sich Hauptmann Kollonitsch von Forchtenstein mehrere Gewalttätigkeiten gegen Ödenburger Bürger und gegen die Richter von Loipersbach. 1576 setzte Kaiser Maximilian II. eine Kommission ein, die die Angelegenheit hätte schlichten sollen, aber nichts ausrichten konnte. Die Forchtensteiner belästigten den Loipersbacher Richter auch weiterhin. Erst 1585 wurde ihnen von König Rudolf II. jeglicher Übergriff verboten
Über die wirtschaftliche Lage Loipersbachs im 16. Jahrhundert ist nur wenig bekannt. Dem Weinbau am Kogelberg kam wahrscheinlich schon früh große Bedeutung zu. Die Dörfer der Stadt Ödenburg waren zwar in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht besser gestellt als etwa die der Herrschaft Forchtenstein, aber gerade in der Zeit, als Loipersbach an Ödenburg kam, versuchte die Stadt, einen Teil der hohen Lasten, die ihr aus den Türkenkriegen erwachsen waren, den Stadtdörfern aufzubürden. Nach einem Urbarium aus dem Jahre 1558 war der Besitz an Feld nur klein (6—12 Joch), obwohl weite Flächen öde lagen. Einer umfangreicheren Bewirtschaftung standen aber die hohen Abgaben und der Arbeitskräftemangel entgegen. Die wirtschaftliche Situation wurde noch dazu dadurch verschlimmert, dass im Jahre 1570 das ganze Dorf abbrannte. Die Bewohner wurden hierauf von Maximilian II. auf 6 Jahre von jeglichen Zahlungen an die königliche Kammer befreit, doch musste sich die Gemeinde verpflichten, innerhalb dieser Zeit die Häuser mit aller Sorgfalt wieder aufzubauen. Die Stadt Ödenburg als Grundherr erhöhte aber die Abgaben und die Robotleistungen so sehr, dass es in Mörbisch sogar zu einer Revolte gegen die städtische Herrschaft kam.
Im Jahre 1600 suchte eine Pestepidemie weite Teile des Komitates heim, die auch in Loipersbach gewaltige Opfer forderte: von den damals bestehenden 46 Häusern waren nur mehr 22 bewohnt. 21 Häuser waren durch die Pest verödet, 3 waren erneut abgebrannt. Erst ab dem Jahre 1610 zeichnete sich wieder eine Besserung der wirtschaftlichen Lage ab.
In Ödenburg hatte sich inzwischen die evangelische Lehre unter Pfarrer Simon Gerengel endgültig durchgesetzt. Zur gleichen Zeit stand der Protestantismus auch in den Herrschaften Forchtenstein und Eisenstadt in voller Blüte. Der Magistrat der Stadt Ödenburg setzte auch für die beiden Gemeinden Agendorf und Wandorf einen lutherischen Prediger ein. Dieser Kirchengemeinde wurde schließlich auch Loipersbach, obwohl es früher eine selbstständige Pfarre war, angeschlossen. Der erste Prediger dieser drei Gemeinden ist für das Jahr 1551 bezeugt. Er hieß Martin Floder und blieb nur kurze Zeit. Sein Nachfolger war Georg Schiller, dem jedoch die Bezahlung zu niedrig war. Auf ihn folgte 1574 der Steirer Erasmus Fellner, der bereits zwei Jahre später vom katholischen Geistlichen Andreas Scherer abgelöst wurde. Ab 1573 setzte mit dem neuen Bischof von Raab, Georg Draskovich, auch im Ödenburger Gebiet die Gegenreformation voll ein. Der Bischof berief eine Synode ein, doch verweigerten die evangelischen Geistlichen Ödenburgs die Teilnahme. Daraufhin erschien Draskovich persönlich in Ödenburg und forderte vom Magistrat die Entfernung der evangelischen Prediger. Der Magistrat lehnte ab, und der Bischof verließ drohend die Stadt. 1584 wurde der Magistrat zweimal nach Wien beordert, dort vorübergehend sogar eingekerkert und musste schließlich nachgeben. Die Prediger, darunter auch Fellner, wurden vertrieben und fanden in den Batthyany’schen und Nadasdy’schen Herrschaften besonders in Deutschkreutz, Unterschlupf. Trotz eines 1585 ergangenen strengen Verbotes, wiederholter Drohungen, Geldstrafen und körperlicher Züchtigungen besuchten die Bürger und die Bewohner der Dörfer in der Folgezeit die Gottesdienste in Deutschkreutz und Neckenmarkt. Weder in der Stadt selbst noch in den Dörfern hatte die Gegenreformation Erfolg, so dass sich der Ödenburger Stadtpfarrer beschwerte, dass “das Volk lieber selbst seine Toten bestatte ohne alle Leichenzeremonien, als dass es sich dabei dem Befehl gemäß des katholischen Pfarrers bedient hätte”, und der Rektor der einst berühmten ödenburger Lateinschule hatte nun keine Schüler mehr.
Im Jahre 1597 führte der Ödenburger Erzpriester Georg Dubovsky in seinem Archidiakonat eine Visitation aller Pfarren durch. Das Visitationsprotokoll zeigt uns, daß Loipersbach zu dieser Zeit noch immer eine Filialkirche Agendorfs war. Der Pfarrer hieß Georg Loninger. Dabei wurde aber noch ausdrücklich vermerkt, dass die Gemeinde “derzeit” keinen eigenen Pfarrer habe, was darauf hindeutet, dass das Wissen um die vorreformatorische Selbständigkeit der Gemeinde noch nicht verloren gegangen war. Die Kirche war durch einen “wasser gueß zerissen und abgeödet”, also durch eine Überschwemmung zerstört und nicht in Gebrauch. Der Pfarrer besaß einen Weingarten, 6 Joch groß, der aber öde war, ferner 6 Joch Acker und 4 Tagwerk Wiesen, eine weitere Wiese und einen Obstgarten.
Die Jahre um 1600 stellten also mit der Pestepidemie, Überschwemmungen und der Gegenreformation einen Tiefpunkt in der Entwicklung Loipersbachs dar. Im Jahre 1605 brachte die Belagerung Ödenburgs durch die Truppen Bocskais noch zusätzliche Verwüstungen mit sich. Die Dörfer wurden zerstört, ihre Bevölkerung nahm an der Verteidigung der Stadt teil.